Die Waldkapelle Die Waldkapelle

Heinrich Schwaighofer, Pfarrer in Sexten, war in der schweren Zeit des Krieges und der Evakuierung wichtiger Vertrauensmann und zentraler Ansprechpartner für die Sextner Bevölkerung. Nach der Zerstörung und dem verheerenden Brand im August 1915 musste auch Schwaighofer das Dorf verlassen. Von Niederrasen aus kümmerte er sich fortan um die Versorgung der Sextner Flüchtlinge mit dem Notwendigsten und leitete teilweise auch die Spenden- und Hilfssammlungen für die notleidende Bevölkerung. In Briefen an die Spender und Wohltätigen aus Wien, die im „Neues Wiener Tagblatt“ abgedruckt wurden, bedankte sich Schwaighofer für die große Hilfsbereitschaft.
Im Exil übernahm der Pfarrer zudem Verwaltungsaufgaben der Gemeinde und wurde zur wichtigsten Ansprechperson für die Nöte und Leiden der Flüchtlinge und Evakuierten. In einem Brief an den Sextner Gemeindesekretär Franz Happacher berichtete Schwaighofer Anfang 1917: „Sonst ist hier alles im Alten, die Flüchtlinge alle gesund.“1Gemeindearchiv Sexten, 1916/17, Mappe B, Heinrich Schwaighofer, Brief an die löbliche Gemeinde-Vorstehung Sexten in Lienz, 23. Jänner 1917.
Nachdem im Sommer 1917 die ersten Sextner Bauern am Außerberg die Erlaubnis erhielten, wieder in ihre Häuser zurückzukehren, wurde auch der Pfarrer gebeten, seine priesterlichen Aufgaben wiederaufzunehmen. Da die Pfarrkirche stark beschädigt und zudem noch immer feindlichem Beschuss ausgesetzt war, musste zunächst eine kleine Notkirche in der abgelegenen, aber vor Granaten und Schrapnellen geschützten Holzerschlucht errichtet werden. Hierbei legte der Pfarrer auch selbst Hand an. Die Bretter für die Kapelle stammten von einem vom Schnee zusammengedrückten Heuschuppen in der Nähe. Zwei Jahre nach der Evakuierung fand am ersten Augustsonntag 1917 in der Waldkapelle wieder ein Gottesdienst in Sexten statt. Schwaighofer berichtete in einem Brief über das ungewöhnliche Zusammenspiel von Gottesdienst und Kriegsgeschehen: „Mit Recht verdient der ganze Bau den Namen Notkirche und der Gottesdienst Notgottesdienst, da ja die Not und das Elend überall zu sehen sind. Aber es war feierlich, besonders beim ersten Gottesdienst, aber auch bei späteren des öfteren (sic!). War auch kein Glockengeläute, war auch keine Musikkapelle in Tätigkeit, wie dies nach altem Tiroler Brauch bei einen (sic!) ersten Gottesdienst in einer neuen Kirche verständlich gewesen wäre, der Böllerknall war nicht entfallen, der Böllerknall aus den verschiedenen freundlichen und feindlichen Geschützen, so daß das Echo nur so rollte, vom Haunold bis zur Roten Wand, vom Hornist-Egg [Hornischek] bis zu den Drei Zinnen. Aber auch Paradeschützen schienen in der Nähe zu sein, denn Infanterie- und Maschinengewehre knallen und rattern bis auf den heutigen Tag fast bei jedem Gottesdienst, nur daß man, daran gewöhnt, sie nicht mehr beachtet.“2Singer, Emanuel von, Nach der Befreiung von Sexten. Der erste Gottesdienst in der Holzerschlucht, Neues Wiener Tagblatt, 24. März 1918.
Die Waldkapelle wurde später in „Friedenskapelle“ umbenannt und dient seither als Ort für Gedenkfeiern der Gefallenen und Betroffenen aller Kriege.

(SK)

Holzer, Rudolf (2002). Sexten: Vom Bergbauerndorf Zur Tourismusgemeinde. Sesto-Sexten: Tappeiner Verlag.

Singer, Emanuel von (1918). Pustertaler Volk und Priester im Kriege, Neues Wiener Tagblatt, 30. Mai.

Gemeindearchiv Sexten, 1916/17, Mappe B, Heinrich Schwaighofer, Brief an die löbliche Gemeinde-Vorstehung Sexten in Lienz, 23. Jänner 1917.

Singer, Emanuel von (1918). Nach der Befreiung von Sexten. Der erste Gottesdienst in der Holzerschlucht, Neues Wiener Tagblatt, 24. März.