Disziplin und Ordnung in den Reihen der eigenen Truppen waren seit jeher wesentliche Voraussetzungen um eine Krieg zu gewinnen. Die k.u.k. Armee versuchte, diese Ordnung mit einem rigorosen Militärstrafgesetz durchzusetzen, das schon geringe Vergehen scharf verurteilte und zuweilen bis an die Folter grenzende Methoden zur „Disziplinierung“ ihrer Soldaten anwandte. Die Tiroler Standschützen und neu aufgestellten Truppenteile der Armee hatten den zweifelhaften Ruf, keine militärische Ordnung und Ausbildung genossen zu haben. Tatsächlich trifft man in den Akten des Standschützen Baon Innsbruck I auf eine Reihe von Bestrafungen und Vergehen verschiedenster Arten. Desertion oder unerlaubtes Entfernen von der Truppe standen in der Habsburgermonarchie ganz oben in der Liste der militärischen Vergehen.1Oswald Überegger, Militärgerichtsbarkeit, S. 421–437. Im April 1916 wurden einige Offiziere, die sich unerlaubt von ihren Stellungen entfernt hatten, in Innichen angetroffen. Die genannten Offiziere kamen mit einer Verwarnung davon und erhielten die Anweisung, sich nur mit schriftlicher oder telefonischer Erlaubnis von den Stellungen entfernen zu dürfen.2Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel I, K.u.k. Grenzunterabschnittskommando 10b Reservat-Grenzunterabschnittskommandobefehl Nr. 1, Feldpost 222, am 19. April 1916. Ganz anders hingegen lag die Situation bei fünf Standschützen, die am 12. Juli 1916 die Erlaubnis erhielten, nach dem Abendessen in der Nähe der Schusterhütte einige Blumen zu pflücken, wo sie sich jedoch „im Eifer, Edelweiss zu erhalten“ zu weit von ihrem Lager entfernten. Es wurde ihnen unverzüglich „die Ungehörigkeit ihres Verhaltens“ erläutert und die Soldaten mit sechs Stunden „Spangen“ bestraft.3Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel I, K.k. Standschützen-Baon Innsbruck Nr. 1, Nr. 941, Feldpost 222, am 14. Juli 1916. Bei dieser schmerzhaften Strafmethode wurde den Soldaten der rechte Vorderarm mit dem linken Unterschenkel in einer Spange zusammengebunden und sie mussten in dieser Position stundenlang ausharren. Einige Kommandanten empfanden diese Strafe aufgrund des Leichtsinns der Soldaten noch als zu gering, doch wurde sie, mit dem Vermerk beibehalten, dass die Männer „keine schlechte Absicht“ verfolgt hätten. Darüber hinaus sollte die „Fähigkeit und Lust der Leute zum Bergsteigen in taktisch militärischer Hinsicht“ gefördert werden.4Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel I, K.k. Standschützen-Baon Innsbruck Nr. 1, Nr. 941, Feldpost 222, am 14. Juli 1916.
Für ein reibungsloses Funktionieren der Befehlskette war absoluter Gehorsam unabdinglich. Bei einem nächtlichen Feuergefecht im Juni 1916 am Sextenstein wurde einer Maschinengewehrabteilung der Befehl überbracht, das Feuer sofort einzustellen, worauf der kommandierende Offizier die Antwort „Die haben mir nichts zu befehlen!“ erhielt. Erst durch das Androhen mit dem eigenen Gewehr konnte sich der Kommandant den geforderten Gehorsam verschaffen und der Verantwortliche einer angemessenen Strafe unterzogen werden.5Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel I, K.k. Standschützen-Baon Innsbruck Nr. 1, Nr. 145, Feldpost 222, 10.6.1916 Zinnenstellung.
Wegen „frechen Benehmens“ gegenüber einem Offizier wurde der Standschütze Karl Doviak mit zehn Tagen Einzelarrest und je drei Mal sechs Stunden „Spangen“ bestraft.6 Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel VI, Bataillonskommandobefehl Nr. 61, Feldpost 526, am 28. Juni 1917. Schon wegen vermeintlich geringster Vergehen, wie „verbotenen Briefschmuggels ins Hinterland“, womit oftmals die Briefzensur umgangen wurde, wurden die beiden Standschützen Josef Stockner und Franz Stettner mit dreimaligen „Spangen“ für sechs Stunden bestraft.7Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel VI, Bataillonskommandobefehl Nr. 47, Feldpost 526, am 29. Mai 1917.
Der Standschütze Jose[f] Ebensberger erhielt „wegen grober Widersetzlichkeit gegen seine Vorgesetzten“ dreimaliges zweistündiges „Anbinden“.8Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel VI, Bataillonskommandobefehl Nr. 93, Feldpost 526, am 25. April 1916. Diese Methode gehörte zu den berüchtigtsten Strafen der k.u.k. Armee: Die Unterarme des Soldaten, am Rücken gekreuzt und mit den Handflächen nach oben zeigend, wurden mit den Unterschenkeln zusammengebunden.
Fehlverhalten von Soldaten, wie das verbotswidrige Jagen im Gelände,9Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel I, K.u.k. Grenzunterabschnittskommando 10b Reservat-Grenzunterabschnittskommandobefehl Nr. 1, Feldpost 222, am 19. April 1916. das Führen von privaten Gesprächen von Telefonisten10Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel VI, Bataillonskommandobefehl Nr. 33, Feldpost 526, am 27. März 1917. oder die Weigerung des Oberjägers Franz Holzer, sich impfen zu lassen,11Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel VI, Bataillonskommandobefehl Nr. 47, Feldpost 526, am 29. Mai 1917. gehörten ebenso zu den Vergehen der Soldaten an der Dreizinnenfront und wurden mit harten Strafen verfolgt.
Überegger, Oswald (2014). Geschichtsschreibung und Erinnerung. In Hermann J.W. Kuprian und Oswald Überegger (Hrsg)., Katastrophenjahre; Der Erste Weltkrieg Und Tirol. Innsbruck: Wagner Verlag, S. 547–563.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel I, K.u.k. Grenzunterabschnittskommando 10b Reservat-Grenzunterabschnittskommandobefehl Nr. 1, Feldpost 222, am 19. April 1916.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel I, K.k. Standschützen-Baon Innsbruck Nr. 1, Nr. 941, Feldpost 222, am 14. Juli 1916.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel I, K.k. Standschützen-Baon Innsbruck Nr. 1, Nr. 145, Feldpost 222, 10.6.1916 Zinnenstellung.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel VI, Bataillonskommandobefehl Nr. 61, Feldpost 526, am 28. Juni 1917.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel VI, Bataillonskommandobefehl Nr. 47, Feldpost 526, am 29. Mai 1917.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel VI, Bataillonskommandobefehl Nr. 93, Feldpost 526, am 25. April 1916.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel I, Schuster-Hütte, am 26. Juli 1916.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel VI, Bataillonskommandobefehl Nr. 33, Feldpost 526, am 27. März 1917.
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