Sepp Innerkofler Sepp Innerkofler

Bergführer und Kriegsheld

Die neue Front in den Dolomiten und die für das Militär ungewohnte und neue Kriegsführung im Hochgebirge erforderte, den Einsatz von orts- und bergkundigen Führern für Erkundigungsgänge in den Höhenstellungen. An diesem Kriegsschauplatz fand die Kriegspropaganda im „Krieg der Bergführer“ einen neuen Helden im bekannten Sextner Bergführer und Gastwirt der Dreizinnenhütte Sepp Innerkofler (1865–1915). Berühmt für seine Bergtouren in den Sextner Dolomiten hatten er und seine Frau Maria Stadler 1898 die Dreizinnenhütte übernommen, die aufgrund der steigenden Touristenzahl mehrmals vergrößert und erweitert werden musste. Den Aufschwung Sextens als beliebtes Touristenziel erkennend errichtete Innerkofler 1906 das Hotel Dolomitenhof im Fischleintal und gilt gemeinhin als bedeutender Tourismuspionier des Oberen Pustertals.
1915 wurde Innerkofler im Alter von 50 Jahren zu den Standschützen einberufen und der Bergführerpatrouille zugeteilt: kleine mobile und flexibel einsetzbare Truppen, die den feindlichen Truppen eine vermeintliche Besatzung verschiedener Höhenstellungen vortäuschen oder diese von dort vertreiben sollten. Ein solches Unternehmen war auch für den Paternkofel geplant. Die Einnahme und Besetzung des Gipfels des Paternkofels war von großem strategischem Interesse für die k.u.k. Armee, da von seinem Gipfel aus die italienischen Stellungen weithin einsehbar waren. Eine ständige Besetzung war jedoch wegen der ohnehin schwach besetzte Zinnenfront nicht möglich, daher ging der Gipfel Ende Mai 1915 kampflos an die italienischen Truppen über. Im Juli sollte durch die „Paternkofelaktion“ der Gipfel und der Paternsattel erobert werden. In dieser schwierigen Lage wurde Sepp Innerkofler hinzugezogen; er schätzte die Aussichten auf Erfolg zwar sehr gering ein, entschloss sich aber trotzdem, die Führung zu übernehmen. In der Nacht vom 3. auf den 4. Juli kletterten er und seine Begleiter auf den Gipfel, wo sie jedoch von italienischen Soldaten mit Steinen und Gewehrschüssen abgewehrt wurden. Die Schilderungen über den genauen Hergang in diesen frühen Morgenstunden des 4. Juli hatten noch einige Zeit nach dem Krieg für Kontroversen gesorgt: Waren tatsächlich die Italiener für den Tod Innerkoflers verantwortlich oder wurde er vom österreichischen Geschützfeuer getroffen? Mit Sicherheit bekannt war, dass Innerkofler kurz vor seinem Tod einige Granaten zu den italienischen Posten geworfen hatte, von denen nur eine zündete. Im Tagebuch des Bataillons „Val Piave“ vom 4. Juli ist hierzu zu lesen:
„Heute Früh um 4 Uhr wurden erst unsere Stellungen am Passportenkopf, dann am Paternkopf und auf dem Paternsattel von einer starken Kanonade getroffen, die vom Rauch Kofl [Rauchkofel], vom Sextenstein und von anderen nicht näher ermittelbaren Stellen kam. Gleichzeitig stieg ein äußerst wagemutiger, mit einem Hanfseil und drei Handgranaten ausgestatteter feindlicher Soldat über die Steilhänge den Paternkofel empor. Als er auf besagtem Berg auf unsere Wachen traf, warf er die Granaten, von denen zwei explodierten, musste sich aber unter dem Feuer ebendieser Wachen zurückziehen. Die Truppe eilte zu den errichteten Stellungen und unterstützte die Posten, die in Richtung Gamsscharte von Infanterietruppen und Maschinengewehr-Abteilungen und in Richtung Paternkofel von einem Trupp mit einem Dutzend kühner Männer, die dem Weg des Granatenwerfers folgten, angegriffen wurden …“1 Diario del Battaglione Val Piave, AUSSME_B1_141S_2027B, 4 luglio 1915.
Am Kopf verletzt, stürzte Innerkofler ab. Die italienischen Alpini bargen den Leichnam und beerdigten ihn am Gipfel mit einem eigenen Grabkreuz. Nach dem Abzug der italienischen Truppen wurde im Sommer 1918 der Leichnam Innerkoflers exhumiert und in Sexten begraben. Diese Aktion wurde genauestens fotografisch dokumentiert, da man sich der propagandistischen und symbolischen Bedeutung Innerkoflers bewusst war.
Sepp Innerkofler diente der Propaganda als vorbildlicher Held, sein Tod wurde als Heldentod gefeiert und eine Romantisierung und Mystifizierung seines Lebens und seiner Taten setzte beinahe unmittelbar nach seinem Ableben ein. Zeitungsartikel, Portraits und zahlreiche Postkartenmotive machten ihn weit über die Tiroler Grenzen hinaus bekannt und bescherten auch dem zerstörten Dorf Sexten, den Flüchtlingen und Innerkoflers Familie eine große Beachtung und Aufmerksamkeit. Besonders unterstützt wurde dieses Vorhaben von „den aus Sexten stammenden nahen Verwandten des Heldenstandschützen und berühmten Bergführers Sepp Innerkofler“2 “Das zerstörte Sexten.” Neues Wiener Tagblatt, 8. Februar 1918., dem Geistlichen und Schriftsteller Adolf Innerkofler. Der Name Innerkoflers wurde somit gezielt eingesetzt, um Geldspenden für das zerstörte Sexten zu sammeln und das Bewusstsein um die „Heldentaten“ Sepp Innerkoflers sowie das Schicksal der geflüchteten Sextner in der Öffentlichkeit aufrecht zu erhalten.

(SK)

Holzer, Rudolf (2002). Sexten. Vom Bergbauerndorf zur Tourismusgemeinde. Sesto/Sexten: Tappeiner Verlag.

Heiss, Hans, e Rudolf Holzer (2015). Sepp Innerkofler: Bergsteiger, Tourismuspionier, Held. Bolzano: Folio Verlag.

“Das zerstörte Sexten.” Neues Wiener Tagblatt, 8. Februar 1918.

Diario del Battaglione Val Piave, Archivio dell’Ufficio Storico dello Stato Maggiore dell’Esercito, Roma.