Aufgrund der hohen Verluste wurden ab dem zweiten Kriegsjahr sowohl die älteren Jahrgänge als euch sehr junge Männer der Habsburgermonarchie zum Kriegsdienst verpflichtet. In den Reihen der Standschützen gab es sogar minderjährige Jungschützen, die an der Sextner Front im Einsatz waren. Richard Heuberger, der im Juni 1915 in Sexten stationiert war, berichtet in einem Brief über die Begegnung zwischen einem Alt- und einem Jungschützen: „Zu dem kam – grad vom Werk – ein Bursche, noch nicht 16 Jahre, Standschütze, Sohn des Fuchsenbauers ober uns. Da jetzt alle unter 18 Jahren von der Front weg ins Hinterland müssen, traf’s ihn auch und darüber war er ganz verzweifelt und bettelte solange, bis ihm der Oberst das Verbleiben im Schützengraben erlaubte. Da liefen dem Bübl vor Freude die Tränen über die Wangen.“1Feldpostbrief, 26. Juni 1915, in: Klub-Nachrichten des Akademischen Alpen-Klub Innsbruck, Nr. 65 (Kriegsnachrichten Nr. 13), S. 9.
In einer Liste der I. Marschkompagnie des k.u.k. Standschützen Baon Innsbruck I scheinen 14 Namen der Jahrgänge 1898 –1900 auf. Diese Jugendlichen wurden für die Scheinwerferabteilung und bei der Sperre Sexten eingeteilt. Aber auch für den Sanitätsdienst in der Etappe wurden die Jungschützen herangezogen. Im Jahr 1916 machte sich allerdings der Mangel an Soldaten an der Front immer stärker bemerkbar, sodass die Jungschützen, nach Vollendung ihres 17. Lebensjahres, nun zu richtigen Standschützen erklärt wurden und „zur Erfüllung der Landsturmpflicht als Standschützen heranzuziehen“ waren.2Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel V, Rayonskommando V. Res. Nr. 368/St., Einberufung der 17jährigen Standschützen zur Erfüllung der Landsturmpflicht als Standschützen, 22. April 1916.
Ein Bericht vom 2. August 1915 meldete den Fortschritt zur Ausbildung der jungen Rekruten in Sexten und Innichen für den Frontdienst, wobei es schwer war, überhaupt Offiziere für diese Arbeit zu finden. Über die mangelhafte Ausbildung der Jungschützen hatte Anton von Mörl in einer Dienstmeldung vom 9. Mai 1916 arg zu klagen: „Die hereingeschickten Jungschützen haben durchwegs keine Ahnung von einem Gewehr geschweige von einem Repertiergewehr, ein Mann erklärte, er habe einmal mit einem Bolzgewehr geschossen! Da hier um Unglücke und gefährliche Missverständnisse zu vermeiden keine Schiessübungen vorgenommen werden können, bitte künftig nur Leute hereinzuschicken, die mindestens zweimal scharf geschossen haben. […] Wir haben schon zweimal ein Unglück mit derartigen Leuten gehabt, daher nochmals, keinen Mann hereinschicken, der nicht mindestens zweimal geschossen hat. Die sonstige Ausbildung ist wurst, was er im Schützengraben sofort braucht ist Schiessen, Schiessen, Schiessen, das andere ergibt sich von selbst.“3Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel IV, Dienstzettel, Feldpost 222, am 9. Mai 1916.
Ein seltenes Zeugnis über das Leben und die Sorgen eines solchen Jungschützen im Krieg gibt ein Brief des 16-jährigen Rudolf Baron Wagner von Wehrborn vom 5. Dezember 1915 an das k.u.k. Standschützenkommando Innsbruck I, in dem er folgende Bitte äußerte: „Standschütze Rudolf Baron Wagner von Wehrborn bittet gehorsammts (sic!) um einen 14tägigen Urlaub, behufs Aufnahmeprüfung ins Pädagogium. Bin erst 16 Jahre alt, elternlos und bin seit 22. Mai hir (sic!), 5 Monate davon in Stellung. Darunter 1 Monat im Fischleintal, mit Herrn Leutnant Hirn. Ergebenst unterfertigter ist versichert, daß ihm seine Bitte nicht abgeschlagen wird.“4Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel I, Brief von Rudolf Wagner von Wehrborn an das löbliche k.u.k. Standschützenkommando Innsbruck I, 5. Dezember 1915. Wie ein Vermerk zeigt, wurde dem Jungschütze die Bitte zunächst tatsächlich nicht verwehrt. Er erhielt Urlaub, da er „unter 17 Jahre“ alt war; der entsprechende Vermerk wurde in einem zweiten Moment aber wieder gestrichen. Im April 1916 wurde der junge Rudolf von Wagner, inzwischen zum Patrouillenführer aufgestiegen, auf das Zinnenplateau versetzt. Die Militärführung konnte es sich anscheinend nicht leisten, auch auf die jüngsten Schützen zu verzichten.
Feldpostbrief, 26. Juni1915, in: Klub-Nachrichten des Akademischen Alpen-Klub Innsbruck, Nr. 65 (Kriegsnachrichten Nr. 13), S. 9.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel II, Namensliste der noch nich[t] 17jährigen (1915-1916).
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel V, Rayonskommando V. Res. Nr. 368/St., Einberufung der 17jährigen Standschützen zur Erfüllung der Landsturmpflicht als Standschützen, 22. April 1916.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel I, Feldpost 222, am 2. August 1915.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel IV, Dienstzettel, Feldpost 222, am 9. Mai 1916.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel I, Brief von Rudolf Wagner von Wehrborn an das löbliche k.u.k. Standschützenkommando Innsbruck I, 5. Dezember 1915.
Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel IV, Bataillonskommandobefehl Nr. 93, 25. April 1916.
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