Das Militärsanitätswesen im Gebirgskrieg
Das Militärsanitätswesen an der Gebirgsfront ist wenig erforscht. Einer der Hauptgründe hierfür ist wohl die komplexe Quellenlage. Die einschlägigen Informationen sind in den Archiven schwer zu ermitteln, vielmehr handelt es sich meist um Zufallsfunde. Gelegentlich finden sich Notizen zum Sanitätswesen auch in Ego-Dokumenten (private Schriftstücke, Urkunden, etc.).
Das Sanitätswesen im Gebirge zeichnete sich durch einige Besonderheiten aus, die vor allem den örtlichen Gegebenheiten geschuldet waren. Den jeweiligen Einheiten standen mehr Material und Personal zur Verfügung, zudem waren sie, im Vergleich zu denen an anderen Fronten, mit größerer Autonomie ausgestattet. Gründe dafür waren das unwegsame Gelände und die eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten.
Der Abtransport der Verwundeten aus den Höhenstellungen musste durch Blessiertenträger erfolgen und war körperlich äußerst anstrengend. Außerdem ist zu bedenken, dass es sich in der Regel um Männer handelte, welche als nicht wehrdienstfähig eingestuft worden waren. Ihre Anzahl pro Gebirgseinheit war daher doppelt so hoch wie im Flachland.
Das in der kollektiven Erinnerung sehr präsente Thema der Toten durch Lawinenabgänge ist zwar als bedeutender Grund für Verluste zu werten, die neueste Forschung geht jedoch davon aus, dass die Anzahl der Lawinenopfer in der Vergangenheit oftmals überschätzt wurde.
Die wohl größte gesundheitliche Herausforderung des Gebirgskrieges waren aufgrund des mangelhaften Schuhwerks Erfrierungen. Wegen der allgemeinen Materialknappheit nahmen diese im Verlauf des Krieges deutlich zu. Erfrierungsrapporte des Rayons Kärnten zeigen auf, dass Erfrierungen zudem ungleich verteilt waren: Zwangsarbeiter, vorrangig russische oder serbische Kriegsgefangene, erlitten deutlich mehr Erfrierungen als Soldaten.
Im Vergleich zu anderen Kriegsgebieten stellten Seuchen in den Gebirgsregionen hingegen ein geringeres Risiko dar. Dies lag einerseits an der verhältnismäßig geringeren Anzahl an eingesetzten Soldaten und andererseits daran, dass diese nicht auf derart engem Raum, wie etwa in den Schützengräben an anderen Frontabschnitten, konzentriert waren. Dennoch verbreitete sich gerade Typhus mehrmals unter den Soldaten. Als Ursachen sind mangelhafte hygienische Verhältnisse und verunreinigtes Wasser zu nennen. Nicht zuletzt führte die aus zerbrochenen Blindgängern austretende Pikrinsäure zur Verunreinigung des Wassers; selbst Abkochen des Wassers vermochte nicht verlässlich vor der Darmerkrankung zu schützen.
Angetter, Daniela Claudia (1995). Dem Tod geweiht und doch gerettet. Die Sanitätsversorgung am Isonzo und in den Dolomiten 1915-1918. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlagsgruppe.
Beilage: Bericht über den Gesundheitszustand der Truppen und Arbeiterabteilung im Bereich der Division Pustertal, 2. Dezember 1915, Österreichisches Staatsarchiv, Kriegsarchiv, NFA, Landesverteidigungskommando Tirol, Karton Nr. 9, Op. Nr. 2406.
Biwald, Brigitte (2002). Von Helden und Krüppeln. Das österreichisch-ungarische Militärsanitätswesen im Ersten Weltkrieg (Militärgeschichtliche Dissertationen österreichischer Universitäten 14/1). Wien: ÖBV & Hpt.
Das österreichisch-ungarische Militärsanitätswesen im Hochpustertal
Zum Sanitätswesen des 10. Grenzabschnittes im Bereich der Sextener Dolomiten und des Höhlensteintals waren die Informationen lange Zeit nur sehr eingeschränkt zugänglich. Eine der wenigen verhältnismäßig zuverlässigen Quellen sind die Erinnerungen und Biografien von Ärzten, welche an der Front tätig waren oder die Front besuchten. Die wichtigste Quelle stellt die 1938 herausgegebene Autobiografie Anton von Eiselsbergs (1860-1939), dem Begründer der Wiener Chirurgenschule, „Lebenswege eines Chirurgen“ dar. Eiselsberg besuchte im Herbst des Jahres 1915 den Frontabschnitt und schildert, welche Ärzte in den verschiedenen Einrichtungen stationiert waren. Über die genannten Ärzte informieren auch andere Dokumente, wie beispielsweise die 1918 publizierten Aufzeichnungen Paul Niehans (1882-1971) „Monate im Kampfgebiet der Dolomiten. Erlebnisse eines Schweizerarztes“, der bei einem Verbandsplatz im Höhlensteintal tätig war.
In den Operationsakten der in diesem Grenzabschnitt eingesetzten 56. Gebirgsbrigade finden sich allgemeine Informationen zum Aufbau des Militärsanitätswesens. Sie geben auch darüber Auskunft, wie der Abtransport der Verwundeten von der Front in das nächste Spital erfolgte.
Die Spitäler für den Grenzunterabschnitt 10a, der den Bereich des Höhlensteintals umfasste, waren das Rote Kreuz Spital Nr. 2 mit 200 Betten im heutigen Grand Hotel in Toblach (damals Südbahnhotel), das dem Regimentsarzt Dr. Hermann Ritter von Schrötter (1870–1928) unterstand, und ein Infektionsspital mit 50 Betten, welches zur Mobilen Feldsanitätsanstalt V/2 gehörte. Letzteres verfügte über acht Fuhrwerke, um die Verwundeten von den Verbandsplätzen bzw. Krankensammelstellen abzutransportieren und wurde von Dr. Matscher geführt. Krankensammelstellen befanden sich beim Brückele in Prags und bei der Nasswand im Höhlensteintal.
Für den Grenzunterabschnitt 10b der Sextener Dolomiten und 10c des Karnischen Kamms von Harnischeck bis zur heutigen Grenze zwischen Kärnten und Tirol befanden sich die Sanitätseinrichtungen in Innichen. Das Krankenhaus Lienz wurde wegen seiner Entfernung nicht für den Verwundetenabschub von der Front herangezogen. Das k.k. Landwehrmarodenhaus in Innichen mit insgesamt 200 Betten unterstand Oberarzt Dr. Innerhofer und bestand aus mehreren Unterreinrichtungen. Das Marodenhaus und das Zivilspital gehörten zur chirurgischen Abteilung, hatten jeweils 25 Betten und unterstanden Dr. Brunner. Der Stiftshof und die Villa Saxonia hatten gemeinsam 130 Betten, unterstanden Dr. von Kaan und bildeten die interne Abteilung. Das Infektionsspital Felicitas mit 20 Betten wurde ebenfalls von Dr. von Kaan geleitet. Darüber hinaus bestand eine Mobile Feldsanitätsanstalt V/1 mit 40 Betten unter dem Regimentsarzt Dr. Prokes sowie einem Garnisonschefarzt und Leiter des Verwundetentransportes. Die Einrichtung war als Marodenhaus in der Villa Aguntina lokalisiert. Der Brigadechefarzt Dr. Kroboth war im Zimmer Nr. 19 des Gasthauses Hellenstainer einquartiert. Die Verbandsplätze des Grenzabschnittes 10b waren bei der Lanzingersäge, am Ausgang des Innerfeldtals und bei der Dreischusterhütte positioniert, jene für den Grenzabschnitt 10c in Kartitsch, Obertilliach und Leitan.
Beilage 1, Sanitätsdienst im Grenzabschnitt N° 10, 02. November 1915, Österreichisches Staatsarchiv, Kriegsarchiv, NFA, 56. Gebirgsbrigade, Karton Nr. 2799, Feldpost 222, Op. Nr. 588/San.
Beilage 2, Zusammenstellung der in verschiedenen G.A.Kmdo Bef. ergangenen sanitären Weisungen, 02. November 1915, Österreichisches Staatsarchiv, Kriegsarchiv, NFA, 56. Gebirgsbrigade, Karton Nr. 2799, Feldpost 222, Op. Nr. 588/San.
Bestimmungen für die Errichtung und Ausübung des Militärsanitätsdienstes im eigenen Bereich, 02. November 1915, Österreichisches Staatsarchiv, Kriegsarchiv, NFA, 56. Gebirgsbrigade, Karton Nr. 2799, Feldpost 222, Op. Nr. 588/San.
Eiselsberg, Anton Freiherr von (1939). Lebensweg Eines Chirurgen. Innsbruck: Servus Verlag.
Niehans, Paul (1918). Funfzehn Monate Im Kampfgebiet Der Dolomiten. Erlebnisse Eines Schweizerarztes. Bern: Wyss.
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