Winter und Lawinen Winter und Lawinen

Die Soldaten beider Armeen waren in den Kriegswintern besonders durch Naturkatastrophen gefährdet. Kälte, Schnee und Eis schufen eine lebensfeindliche Umgebung, in der die Soldaten monatelang ausharren mussten. Dazu kam die Gefahr von Lawinenabgänge, denen die Mannschaften ausgesetzt waren. Ein Tagebucheintrag vom 5. November 1915 des Infanterieregiments 59 „Erzherzog Rainer“ berichtet von einem solchen Vorfall mit tödlichem Ausgang: „[…] Gestern gingen die ersten Lawinen zu Tale. Eine in der Schlucht, unterhalb der Aufzugsendstation und drei ins Innerfeldtal ohne Schaden anzurichten. Die 4. Lawine, welche vom Altstein gegen den linken Flügel unserer Innichriedelstellung herunterging, verschüttete die Küche und tötete den Koch der 4. Komp.“1Kriegsarchiv Wien, Kriegstagebuch des Infanterieregiments 59, Eintrag vom 5. November 1915, S. 93. Noch rechtzeitig gerettet werden konnte hingegen der Standschütze Josef Krimbacher, der später bei einem Lawinenunglück am 9. März 1916 verschüttet wurde.
Ein eigenes „Merkblatt für den Gebirgs-Krieg im Winter“, das an die Soldaten ausgegeben wurde, warnt an erster Stelle vor Lawinengefahr. Als richtiges Verhalten wurde das Vermeiden und Umgehen aller lawinengefährdeten Hänge, Täler sowie Rinnen angeführt, zudem wurde größte Vorsicht geboten. Sollten Männer unter eine Lawine geraten, seien folgende Ratschläge zu berücksichtigen: „In abgehender Lawine Schwimmbewegungen machen, an der Schneeoberfläche zu bleiben versuchen, Ski abschnallen, ev. Bindung durchschneiden, Stöcke nicht loslassen! Verschüttete können nur durch geordnetes, genaues Absuchen und Abstechen der Lawine mit Stangen, Pickel etc. gefunden werden. Bei Hilfeholen Beobachtungs- bzw. Rettungsposten zurücklassen. Lawinenhang beobachten, da häufig Nachrutschung!“2Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel III, Merkblatt für den Gebirgs-Krieg im Winter, S. 2f.
In den Monografien des 1. italienischen Armeekorps wird im Zusammenhang mit Lawinen Folgendes empfohlen: „Um möglichen Lawinenschäden vorzubeugen, ist es notwendig, die Bewegungen während der warmen Stunden des Tages auf ein Minimum zu reduzieren, niemals die Bewegung isolierter Männer zuzulassen und Hilfsmannschaften vorzubereiten, welche über das entsprechende Gerät verfügen und bereit sind, sich jederzeit raschestmöglich an den Ort eines etwaigen Unfalls zu begeben.“3Monografie del I Corpo d’Armata – Genio – Sistemazione difensiva, AUSSME_B1_110D_23A
Im Tagebuch des 1. Italienischen Armeekorps wird im Eintrag vom 24. Februar 1916 zunächst festgehalten, dass sechs Lawinen im Bereich des Drei Zinnen-Plateaus niedergegangen seien, und dann weiter: „Sie überraschten einen Zug, der zum Sextenstein unterwegs war, die nachfolgende Rettungsmannschaft, eine Patrouille, eine Rettungsmannschaft am Longerin-Hang und eine für den Weg Longere [Longeres]–Cengia zuständige Schneeräumungsmannschaft, außerdem zerstörten sie eine Küchenbaracke und einen Telefonposten. Es gab insgesamt 53 Tote, darunter Hauptmann Ramacci und Oberleutnant Lucchesi von der 92. Infanterie, und 7 (nicht schwer) Verletzte.4Diario I Corpo d’Armata, AUSSME_B1_110D_4A, 24 febbraio 1917.
Die Orte, an denen Lawinenabgänge am wahrscheinlichsten waren, waren in den Landkarten des Generalstabs vermerkt.5Monografie del I Corpo d’Armata, AUSSME_B1_110D_23°.
Über die Hochgebirgsausrüstung erfahren wir in der oben zitierten Monografie: „Vor Beginn des ersten Frosts muss an alle Truppen die geeignete Ausrüstung verteilt werden (jeweils eine Einzelgarnitur Wollkleidung in doppelter Ausführung, drei dicke Decken pro Kopf und für die Truppen in den Schützengräben auch Mäntel mit Pelz, Fußbekleidung mit Pelz, Holzschuhe zur Verwendung in den Gräben, Sturmhauben [d. h. Skimasken], wasserdichte Bekleidung, Schlafsäcke etc.).“ Außerdem wird die Verwendung von Fetten mit antioxidativer Wirkung empfohlen, die reichlich auf die Gliedmaßen aufgetragen werden sollen.6Monografie del I Corpo d’Armata – Genio – Sistemazione difensiva, AUSSME_B1_110D_23A.
Für den Fall von Erfrierungen finden sich in den Anweisungen, die das italienische Oberkommando im Oktober 1915 ausgab, Empfehlungen für Schuhe und Bekleidung (breite Schuhe, „in denen zwei Paar Socken Platz haben“, außerdem Wollsocken, Flanellhemd, Wollpullover, Sturmhaube, Wollmütze, Handschuhe, Kniestrümpfe). Des Weiteren wurde empfohlen, gegen den Schlaf anzukämpfen, wenn man sich in Schnee und Kälte aufhalte; sich niemals mit Branntwein (Schnaps) aufzuwärmen, da die Wirkung nur vorübergehend sei; ständig die Zehen zu bewegen, auch wenn sie schmerzen; gefrorene Gliedmaßen niemals im heißen Wasser zu baden, um Wundbrand zu vermeiden.7Istruzioni in caso di congelamento, AUSSME_E14_busta17_fasc18

(GF, SK)

Kriegsarchiv Wien, Kriegstagebuch des Infanterieregiments 59, Eintrag vom 5. November 1915, S. 93.

Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel II, Bataillonskommandobefehl Nr. 63, 9. März 1916.

Tiroler Landesarchiv, Standschützen Baon Innsbruck I 1914-1918, Faszikel III, Merkblatt für den Gebirgs-Krieg im Winter, S. 2f.

Monografie del I Corpo d’Armata – Genio – Sistemazione difensiva, AUSSME_B1_110D_23A, Archivio dell’Ufficio storico dello Stato Maggiore dell’Esercito, Roma.

Diario I Corpo d’Armata, AUSSME_B1_110D_4A, 24 febbraio 1917, Archivio dell’Ufficio storico dello Stato Maggiore dell’Esercito, Roma.

Istruzioni in caso di congelamento, AUSSME_E14_busta17_fasc18, Archivio dell’Ufficio storico dello Stato Maggiore dell’Esercito, Roma.