Rückkehr und Wiederaufbau von Sexten Rückkehr und Wiederaufbau von Sexten

Im Spätsommer 1917 kehrten erste Sextner mit Erlaubnis der k.u.k. Militärführung in ihr Heimatdorf zurück – mehr als zwei Jahre, nachdem sie es fluchtartig hatten verlassen müssen. Im Herbst 1917 zogen schließlich die italienischen Truppen aus dem Zinnengebiet ab, im November desselben Jahres gab das österreichische Militär Sexten und Moos weitgehend für die Rückkehr der Zivilisten frei. Allerdings warnten sie davor, sich den ehemaligen Frontstellungen zu nähern und betonten die Gefahr von Minenunglücken.1Gemeindearchiv Sexten, 1916/17, Mappe B, k.u.k. Rayonskommando V, Nr. 507, Sextner Flüchtlinge, Feldpost 392, am 17. November 1917 (Abschrift). Doch erst im Frühjahr 1918 kehrte eine größere Anzahl an Sextnern in die im August 1915 zerstörte Heimat zurück. Viele Häuser mussten wieder neu aufgebaut werden. Zunächst hatten viele Sextner mit existentiellen Problemen zu kämpfen: Kriegsflüchtlinge, die in ihre Heimat zurückgekehrt waren, erhielten nur für weitere 60 Tage eine finanzielle Unterstützung. Dann mussten sie wieder für sich selbst sorgen. Eine Vorgabe, die für viele Sextner angesichts ihrer prekären Lage in keiner Weise realistisch war. Sie reichten daher Beschwerde ein. Der Landeshauptmann von Tirol, Josef Schraffl, ein gebürtiger Sillianer, setzte sich im Wiener Innenministerium erfolgreich dafür ein, dass die Sextner auch nach ihrer Rückkehr weiterhin eine staatliche Unterstützung erhielten.2Allgemeines Verwaltungsarchiv, Ministerium des Inneren, Allgemeine Reihe 1918, Aktenbetreff 601176, 14. Oktober 1918. 1919 wurde den Flüchtlingen jedoch endgültig die finanzielle Hilfe gestrichen. Einige Sextner baten wiederum um weitere Auszahlungen, da es ihnen nicht möglich war, den Wiederaufbau ihrer Häuser allein zu stemmen, wie etwa der Fall von Georg Innerkofler zeigte. Er konnte nicht in seine Heimat zurückkehren, da keine Unterkunftsmöglichkeit für ihn und seine Frau zur Verfügung stand und das eigene Heim und sein gesamtes Eigentum von einer Granate zerstört worden war.3Gemeindearchiv Innichen, Schachtel 448, Faszikel b, Anmeldung für Flüchtlings-Unterstützungen Georg Innerkofler.
Material und Werkzeug für den Wiederaufbau ihrer Höfe und Häuser fanden die Sextner Rückkehrer nicht zuletzt auch in den vom Militär zurückgelassen Baracken und Magazinen. Zusätzlich erhielten sie großzügige Hilfe aus Wien. Zur Wiederherstellung Sextens wurde in der Donaumetropole eine eigene Hilfsaktion ins Leben gerufen; im April 1918 wurde ein „Tiroler Konzert- und Dichterabend“ als Benefizveranstaltung zur Sammlung von Spenden für das Hilfskomitee organisiert, bei welchem sich zahlreiche Gäste aus dem hohen Adel und Politik einfanden. Das Resümee des Abends lautete: „Der glänzend besuchte Abend wird der Hilfsaktion für den Wiederaufbau von Sexten sehr gedient haben.“4Der Tiroler Konzert- und Dichterabend, Neues Wiener Tagblatt, 24. April 1918.
1918 leitete der österreichische Staat erste Sanierungs- und Aufbaupläne ein, die Zahlungen und Arbeiten wurden allerdings mit Kriegsende eingestellt. Bereits während des Krieges gab es von den Sextnern selbst erste Pläne zum Wiederaufbau ihres Dorfes, welche sie ihren Wiener Bekannten mitteilten. Der Sextner Pfarrer Heinrich Schwaighofer etwa erdachte, Münchner Architekten für den Wiederaufbau zu engagieren, da diese „es so gut verstehen, nach unserm heimatlichen Sinn und Empfinden echte Tiroler Bauernhäuser zu bauen […].“5Singer, Emanuel von, Feuilleton. Pustertaler Volk und Priester im Kriege, Neues Wiener Tagblatt, 30. Mai 1916.
Karl Stemberger, der Gastwirt des Hotels „Zur Post“, drückte seinen Wunsch in ähnlicher Weise aus: „Mein Bestreben geht dahin, auf jede Weise dafür zu sorgen, daß das hoffentlich wieder entstehende Sexten in Anlage und Bauart der Häuser ein typisches Tiroler Dorf bleibe, das sich schon beim ersten Anblick als ein echt deutsches Dorf von den benachbarten welschen Dörfern unterscheidet. Das Dorf soll auch wie bisher gut in die herrliche Landschaft passen. Denn ich fürchte immer, daß dann, wenn die glückliche Zeit kommt und wir wieder mit dem Aufbau beginnen können, durch das Drängen nach schneller Herstellung von Wohnungen auf die Bau- und Eigenart der alten Bauerndörfer zu wenig Rücksicht genommen werden wird, und dann Gebäude entstehen, welche der Landschaft nicht zur Zierde gereichen werden.“6von Singer, Emanuel. Die Mütter von Sexten, Neues Wiener Tagblatt, 23. April 1916.
Die Befürchtungen des Hoteliers sollten sich als unbegründet herausstellen. Nachdem Sexten 1919 an den italienischen Staat angegliedert worden war, begannen die Wiederaufbauarbeiten unter italienischer Bauleitung und Finanzierung. Im Oktober 1923 wurde mit einem Fest der Abschluss der Arbeiten gefeiert.

(SK)

Holzer, Rudolf (2002). Sexten: Vom Bergbauerndorf Zur Tourismusgemeinde. Sesto-Sexten: Tappeiner Verlag.

Gemeindearchiv Sexten, 1916/17, Mappe B, k.u.k. Rayonskommando V, Nr. 507, Sextner Flüchtlinge, Feldpost 392, am 17. November 1917 (Abschrift).

Allgemeines Verwaltungsarchiv, Ministerium des Inneren, Allgemeine Reihe 1918, Aktenbetreff 601176, 14. Oktober 1918.

Gemeindearchiv Innichen, Schachtel 448, Faszikel b, Anmeldung für Flüchtlings-Unterstützungen Georg Innerkofler.

Der Tiroler Konzert- und Dichterabend, Neues Wiener Tagblatt, 24. April 1918.

von Singer, Emanuel (1916). Feuilleton. Pustertaler Volk und Priester im Kriege, Neues Wiener Tagblatt, 30. Mai.

von Singer, Emanuel (1916). Die Mütter von Sexten, Neues Wiener Tagblatt, 23. April.