Um feindliche Angriffe bei Einbruch der Dunkelheit zu vereiteln, wurden die Armeen mit leistungsstarken Scheinwerfern (Reflektoren und Suchscheinwerfern oder Projektoren) ausgestattet. Sie mussten an strategischen Orten in großer Höhe aufgestellt werden, um lange Frontabschnitte auszuleuchten und wurden per Telefon mit den Kommandos verbunden.
An der österreichischen Front benannte man in den telefonischen Mitteilungen zwischen den Artilleriebeobachtungsposten die Scheinwerfer und ihr Einsatzgebiet aus Sorge vor feindlichen Abhörgeräten mit Decknamen und Codes. Der Scheinwerfer „Ida“ wurde im Juli 1917 der Gruppe Drei Zinnen zugeteilt. Im Rahmen eines gezielten Programmes fanden mit eigens dafür ausgebildeten Mannschaften und Scheinwerferabteilungen entlang der Frontlinien Beleuchtungsübungen statt. Das Ziel war es, die italienischen Stellungen so umfassend wie möglich zu beleuchten und zu überwachen.
Im Drei Zinnen-Gebiet befanden sich, wie zeitgenössische Karten belegen sowohl auf österreichischer als auch auf italienischer Seite zahlreiche Scheinwerfer; jene aus dem Archiv des italienischen Generalstabs seien beispielhaft erwähnt1Monografie del I Corpo d’Armata – Genio – Sistemazione difensiva, AUSSME_B1_110D_23A. Aus zahlreichen Quellen, wie Abteilungstagebüchern und persönlichen Tagebüchern, geht zudem hervor, dass man die Scheinwerfer des Feindes durch Anstrahlen mit leistungsstarken Geräten zu schwächen versuchte. Diese Vorgehensweise wird im Regimentstagebuch des 3. Unterkommandos beschrieben:
„In der Nacht des 11. [Februar], als der Scheinwerfer des Feindes unsere laufenden Arbeiten störte, wurde der Scheinwerfer am Paternkofel in Betrieb genommen, der leistungsstärker ist als jener des Feindes.“2Diario Comando III sottosettore, AUSSME_B1_130s_87e, febbraio 1917.
Ein weiterer Beleg findet sich im persönlichen Tagebuch von Paolo Barzan, Soldat des 7. Alpini-Regiments, der im Sommer 1915 auf den Drei Zinnen im Einsatz war: „Da unser Scheinwerfer stärker war, beeinträchtigte er die Wirkung des deutschen [gemeint: österreichischen, im Italienischen wird das Adj. „tedesco“ oft für „deutschsprachig“ verwendet].“3Diario dell’alpino Paolo Barzan, 19 agosto 1915. Bisweilen wurden die Scheinwerfer auch zu Zielscheiben von Angriffen; die Artillerien versuchten, sie zu beschädigen, wie in diesem für den italienischen Kampfabschnitt verfassten Kriegstagebuch beschrieben wird: „In der Nacht wurde auf den Scheinwerfer des Feindes auf dem Schwabenalpenkopf geschossen, sodass er ausgeschaltet werden musste.“4Diario Comando Lavaredo Oberbacher, AUSSME_B1_130s_88e, 14 agosto 1916.. In solchen Fällen wurden die Scheinwerfer abgeschaltet und nach Möglichkeit in eigens für sie vorgesehenen Räumen wie etwa jenem auf dem Gipfel des Paternkofels oder am Kawrza-Stützpunkt unter dem Schwabenalpenkopf untergestellt.
Sie waren ein effizientes Abwehrsystem gegen nächtliche Infanterieangriffe, wie ein Eintrag im Tagebuch des Infanterieregiments 59 „Erzherzog Rainer“ zu einem italienischen Angriff vom 10. Dezember 1915 bezeugt: „Nach Mitternacht versuchte eine vom Frankfurter-Würstel in das Rienztal hinabgestiegene feindliche Patrouille, auf Schneereifen sich unserer Stellung in der Kampfgruppe B zu nähern, wurde jedoch durch den Scheinwerfer und durch Infanteriefeuer vertrieben.“5Kriegsarchiv Wien, Kriegstagebuch des Infanterieregiments 59, Eintrag vom 10. Dezember 1915, S. 115. Der Erfolg eines Angriffs hing vielfach davon ab, ob es gelang, vorher das Beleuchtungssystem des Feindes auszuschalten: „Die italienische Batterie vom Paternsattel gab hierauf auf den Scheinwerfer einige Schuss ab, ohne Schaden anzurichten.“ Für die Verteidigung eigneten sich die Scheinwerfer besonders gut, waren jedoch bei Aktionen, die im Verborgenen stattfinden sollten, wiederum von Nachteil. Der Scheinwerfer des Paternkofels leuchtete die Stellungen am Toblinger Knoten fast durchgehend aus um alle Bewegungen und Vorbereitungen für einen Angriff zu beobachten. Dabei gaben sie jedoch bisweilen auch die eigenen Intentionen preis, wie etwa Richard Heuberger in einem Brief an seine Frau im August 1916 seine nächtliche Wache beschrieb: „Bei den Italienern drüben arbeitete unausgesetzt der Scheinwerfer und steigen Leuchtraketen, ein Zeichen, das[s] sie ihrerseits ebenfalls einen Angriff erwarteten.“6Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Nachlass Richard Heuberger, Feldpostbrief vom 25. August 1916.
Kübler, Peter und Hugo Reider (1997). Kampf um die Drei Zinnen. Das Herzstück der Sextener Dolomiten 1915-1917 und heute. Bozen: Athesia.
Holzer, Anton (1996). Die Bewaffnung des Auges: Die Drei Zinnen oder Einen kleine Geschichte vom Blick auf das Gebirge, S. 77-88. Wien: Verlag Turia + Kant.
Diario Comando III sottosettore, AUSSME_B1_130s_87e, Archivio dell’Ufficio storico dello Stato Maggiore dell’Esercito, Roma.
Diario Comando Lavaredo Oberbacher, AUSSME_B1_130s_88e, Archivio dell’Ufficio storico dello Stato Maggiore dell’Esercito, Roma.
Diario dell’alpino Paolo Barzan, ADN_MG/T3, Archivio diaristico nazionale, Pieve Santo Stefano.
Monografie del I Corpo d’Armata – Genio – Sistemazione difensiva, AUSSME_B1_110D_23A_monografie, Archivio dell’Ufficio Storico dello Stato Maggiore dell’Esercito, Roma.
Kriegsarchiv Wien, Neue Feldakten, Artilleriekommando der 21. Gebirgsbrigade, 3321, Feldpost Nr. 526, 8. Juli 1917.
Kriegsarchiv Wien, Kriegstagebuch des Infanterieregiments 59, Eintrag vom 10. Dezember 1915, S. 115.
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Nachlass Richard Heuberger, Feldpostbrief vom 25. August 1916.
Der Scheinwerfer auf der Großen Zinne
Im Juli 1915 beschloss die italienische Armee, auf der Großen Zinne einen Scheinwerfer aufzustellen. Das in Einzelteile zerlegte Gerät wurde von den Alpini „Val Piave“ und „Pieve di Cadore“ sowie Soldaten der Genietruppen (Pioniertruppen) transportiert. Der Transport dauerte drei Wochen. Der Alpini-Soldat Augusto Carducci schreibt in seinem Tagebuch: „Zwischen Juli und August 1915 hatte ich die Ehre, mit meiner in Calalzo di Cadore stationierten 2. Sektion für Beleuchtungsanlagen (2ª sezione fotoelettrica) der Gruppe „Lavaredo“ anzugehören – die Sektion war von dieser Gruppe eingerichtet worden, um einen unserer Scheinwerfer, der 90 cm breit war, auf der Großen Zinne zu installieren und so einen Beitrag zur Kriegsoperation zu leisten, welche die Besetzung des uns gegenüberliegenden Sextensteins vorsah. Besagter Berg ist nun nicht mehr 3003 m hoch, da ein Stück Grat abgesprengt werden musste, um genug Platz für unseren Scheinwerfer zu schaffen. Also [ist er] ein paar Meter niedriger. Dank der wertvollen Unterstützung einer Alpini-Kompanie wurde mithilfe von Muskelkraft und Seilen ein komplettes Lichtmaschinenaggregat in eine Höhe von 2800 m transportiert und der fast 6 Zentner [600 kg] schwere, in seine Einzelteile zerlegte Scheinwerfer auf den Gipfel gebracht, wo er wieder zusammengebaut und in Betrieb genommen wurde. Ich hatte die Ehre, ihn für jene drei Tage, die die Aktion zur Einnahme der österreichischen Stellung dauerte, zu bedienen. Der durch den vom Himmel kommenden Lichtstrahl verwirrte Feind begann erst am zweiten und dritten Tag, uns mit einer 105er-Kanone von einer Position unter einem Grat zu beschießen, konnte uns jedoch nicht erspähen und feuerte daher bloß 18 zu kurze und 11 zu lange Schüsse ab.“7Il Faro ed il Cannone sulla Grande di Lavaredo, Fronte Dolomitico.
Der Sanitätsoffizier Paolo Berti ergänzt in seinen Erinnerungen, dass eine Stromleitung zwischen dem 24 PS-starken Fiat-Motor mit Lichtmaschine und dem Scheinwerfer verlegt wurde. Außerdem gibt er an, wie lange die Arbeiten dauerten: „Drei Wochen lang klettern ständig Alpini und Soldaten der Genietruppen die 500 Meter der Zinne hinauf und hinunter: Sie hieven Leitern um Leitern, Kisten um Kisten, Bretter und Baumstämme empor. Es ist alles ein herrliches Gewimmel! In den diversen Rinnen werden mithilfe von Balken, die mit Rollen und Seilen quer angeordnet werden, Hebevorrichtungen geschaffen. Die Materialien werden aufgehoben und vorübergehend auf verschiedenen Felsbändern abgestellt, um dann nach und nach immer weiter nach oben und schlussendlich zum Betriebsort [des Scheinwerfers] gebracht zu werden.“8Berti, Guerra in Ampezzo e Cadore, S. 164–166.
Berti, Antonio (2005). Guerra in Ampezzo e Cadore. Milano: Mursia.
Fronte Dolomitico, Il Faro ed il Cannone sulla Grande di Lavaredo, https://www.frontedolomitico.it/Luoghi/lavaredo/05_faro.html.
Ein Suchscheinwerfer mit Namen “Ida”
Eine Besonderheit in der militarisierten Landschaft der Drei Zinnen war ein Scheinwerfer namens „Ida“. Suchscheinwerfer waren für beide Armeen ein wichtiger Bestandteil der Frontlinien. Sie wurden auf Berggipfeln Stangen oder in Kavernen installiert, um große Abschnitte der gegnerischen Front zu beleuchten und nächtliche Angriffe und Aktivitäten zu vereiteln.
Wegen der Gefahr des Abhörens von Telefonleitungen wurden Decknamen verwendet. Die Feldpost Nr. 526 des österreichischen Heeres vom 8. Juli 1917 berichtet von der Installation eines Scheinwerfers mit dem Decknamen „Ida“, der die italienische Stellung am Paternkofel beleuchten und überwachen sollte.9Scheinwerfer „Ida“: K.u.K. Art. Abschn. Kmdo. Kreuzberg. Res.Nr. 348 zu. An Art. Gruppe I. Kriegsarchiv Wien, Neue Feldakten, Artilleriekommando der 21. Gebirgsbrigade, 3321, Feldpost Nr. 526, 8. Juli 1917. Der Scheinwerfer hatte einen Durchmesser von 120 cm und gehörte zur „Königsklasse“ der Beleuchtungsgeräte. Laut den Feldpost-Angaben sollte eine gerade im Bau befindliche Telefonleitung den Scheinwerfer „Ida“ mit dem Gefechtsstand am Monte Piano verbinden. Der Scheinwerfer war der Art. Gruppe 1 Zinnen zugeteilt und am Fuße des Schwabenalpenkopfes, Position Kawrza (2519 m) aufgestellt.10AUSSME, Archivio Ufficio Storico dello Stato Maggiore dell'Esercito, E1_B271, linee difensive Monte Piano.
Er wurde auf Schienen hin und her bewegt, tagsüber im Inneren der Galerie in einem eigens hierfür errichteten Stollen (Tagesstellung) aufbewahrt und erst nach Einbruch der Dunkelheit positioniert. Auf einer Skizze sind die beiden Fenster der Galerie zu sehen, wobei die L1-Position nach Westen in Richtung Monte Piano, die L2-Position nach Osten in Richtung Sextenstein ausgerichtet ist. Bei den im Rahmen des Projektes „In die Landschaft eingeschrieben“ durchgeführten Vermessungen, wurden das intakte Fenster der Position L1 sowie Reste der Gleise, auf denen „Ida“ bewegt wurde, entdeckt. Das Fenster der Position L2 hingegen ist teilweise zerstört. Spuren der Position des Suchscheinwerfers sind nicht mehr sichtbar.
Die Tatsache, dass der Scheinwerfer den weiblichen Namen „Ida“ trug, kann unterschiedlich interpretiert werden. Die Tradition der Benennung von Waffen im Krieg kann als Zeichen einer „heroischen Kultur, [und] Teil eines Prozesses der kollektiven Erinnerung und des Verständnisses“ betrachtet werden.11Mugglestone, The Bombshells of WW1. Die Bezeichnung des Suchscheinwerfers mit einem weiblichen Vornamen entspricht dem damaligen Usus; während des Ersten Weltkriegs wurden zahlreiche militärische Ausrüstungen und Waffen nach Frauen benannt. Als besonders bekanntes Beispiel gilt die Dicke Bertha (Deutsche Kanone an der Westfront).12Siehe Schmitz-Gropengiesser, Die Dicke Bertha. Der Grund für die Benennung eines Suchscheinwerfers mit dem Namen „Ida“ könnte durch Weiblichkeits- und Männlichkeitsvorstellungen bestimmt gewesen sein. Der Scheinwerfer wird zu einer mütterlichen Figur, die die Soldaten mit ihrem starken Lichtstrahl vor Angriffen schützt. Außerdem wird er zu einem feminisierten Objekt, über das sie Kontrolle haben, oder zu einem komplexen Gerät, das besondere Pflege und Wartung benötigt. Diese Interpretationen zeigen, dass militarisierte Landschaften von Weiblichkeits-Konstruktionen und soldatischer Männlichkeit geprägt sein können, die sich während des Ersten Weltkriegs etablierten.13Hämmerle et al., Gender and the First World War, 1.
Linee difensive Monte Piano, E1_B271, AUSSME (Archivio Ufficio Storico dello Stato Maggiore dell’Esercito).
Grayzel, Susan R. (2020). “Total Warfare, Gender, and the ‘Home Front’ in Europe during the First and Second World Wars.” In: The Oxford Handbook of Gender, War, and the Western World since 1600, edited by Karen Hagemann, Stefan Dudink, and Sonya O. Rose. Oxford: Oxford University Press.
Hämmerle, Christa, Überegger Oswald, Bader-Zaar Birgitta (2014). Gender and the First World War. London: Palgrave Macmillan UK.
Kübler, Peter and Reider Hugo (2011). Kampf um die Drei Zinnen. Das Herzstück der Sextener Dolomiten 1915-1917 und heute. Sesto/Sexten: Reider Touristik K.G.
Mugglestone, Lynda (2015). The bombshells of WW1: Women, words, and weapons. English Words in War-Time. https://wordsinwartime.wordpress.com/2015/07/05/the-bombshells-of-ww1-women-words-and-weapons/
K.u.K. Art. Abschn. Kmdo. Kreuzberg. Res.Nr. 348 zu. An Art. Gruppe I. Kriegsarchiv Wien, Neue Feldakten, Artilleriekommando der 21. Gebirgsbrigade, 3321, Feldpost Nr. 526, 8. Juli 1917.
Schmitz-Gropengiesser, Frauke. (2016). “Die Dicke Bertha: Gender und Kriegshumor in Liedern und Bilddarstellungen des Ersten Weltkrieges.” In: Der Krieg Und Die Frauen – Geschlecht Und Populäre Literatur Im Ersten Weltkrieg, edited by Aibe-Marlene Gerdes and Michael Fischer. Münster: Waxmann Verlag.
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