Auf der Suche nach Spuren der Erinnerung Auf der Suche nach Spuren der Erinnerung

Erinnerungskulturen und Kriegserzählungen in Familiengeschichten

Im Kontext der Erinnerungsforschung ist „Erinnerung“ sozial und kollektiv und bezieht sich auf die Vergangenheit als gelebte Erfahrung1Ricoeur, La mémoire, l’histoire, l’oubli., also auf persönliche, emotionale und sogar intime Wahrnehmungen von Ereignissen und deren Evokation durch die Subjekte, und nicht auf eine objektive Darstellung historischer Fakten. Im Fall des Ersten Weltkriegs können sich die Erinnerungen an das Ereignis mit dem „Trauma“2Berliner, 2005, S. 200. und der Kontinuität einer schmerzhaften Erinnerung durch „stellvertretende Erinnerungen“3Teski, Climo, The Labyrinth of Memory. Ethnographic Journeys, S. 3. oder „Nacherinnerungen“4Hirsch, 2008. The Generation Postmemory. Poetics Today 29(1), S. 103-128. überschneiden. Einige Autoren haben dagegen die positive Wirkung des Vergessens bei der Bewältigung traumatischer Ereignisse und möglicher ungelöster Konflikte hervorgehoben5Augé, 1998. Les formes de l’oubli; Krondorfer, 2008. Is forgetting Reprehensible? Holocaust Remembrance and the Task of Oblivion, S. 233-267.. Kriegsgeschichten sind oft Teil von Familiengeschichten und tragen dazu bei, Beziehungen und gemeinsame Erzählungen zwischen den Generationen zu vermitteln. Auch das Schweigen über die Kriegsereignisse kann besondere Formen der Familienerinnerungen hervorbringen. Ausgehend von den von Thomas Benedikter durchgeführten und transkribierten Interviews wurde damit begonnen, die „Erinnerungskulturen“ des Krieges, die in den Familienerzählungen auftauchen, aufzuspüren, wobei sich konkret auf das interdisziplinäre Forschungsfeld der Erinnerungsforschung bezogen wurde.6Siehe Interviews von Thomas Benedikter im Liste der Interviews (Stimmen aus Sexten).
Obwohl viele Gesprächspartner und -partnerinnen in Sexten betonen, dass der Erste Weltkrieg in der Familie kein Thema sei und auch keines war, und obwohl die Erinnerungen an diese Zeit eher bruchstückhaft sind sowie häufig mit Erinnerungen an den weniger weit zurückliegenden Zweiten Weltkrieg verbunden werden, sind die Geschichten des Ersten Weltkriegs Teil der lokalen familiären und kollektiven Erinnerungskultur. Diese Erinnerung wird durch Forschungen, durchgeführt u.a. vom Verein Bellum Aquilarum, gestützt. Es gibt jedoch auch eine „weit verbreitete“ kollektive Erinnerung, die mit den familiären und intimen Erinnerungen der Großeltern und Urgroßeltern verbunden ist und oft in der Materialität von Fotografien und Schriften (Tagebücher, Briefe, Zeichnungen) sowie in der Materialität von Wohnhäusern und bestimmten Orten im Dorf, in der Umgebung und in den Bergen, wo die Kämpfe stattfanden, verankert ist. Eine Erinnerung also, die auch in die Landschaft eingeschrieben ist, die an die Soldaten erinnert, aber auch an die Frauen, an die Vorfahren – damals noch Kinder oder Jugendliche – und an die Nachbarn in den Bergen, nicht nur an die Kriegsfeinde. Jenseits der Rhetorik, die den Ersten Weltkrieg im Laufe der Jahre für unterschiedliche politische Ziele instrumentalisiert hat, und jenseits der potenziellen Fallstricke, die dem Thema Konflikt immer noch innewohnen, reflektiert die lokale Erinnerungskultur der Nachkriegsgenerationen das Kriegsdrama aus meiner Sicht kritisch. Genau mit dieser Form des kritischen Erbes sollte man sich zukünftig näher auseinandersetzen.

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Augé, Marc. (1998). The Forms of Oblivion. Paris: Payot.

Berliner, David (2005). The Abuses of Memory: Reflections on the Memory Boom in Anthropology. Anthropological Quarterly 78(1), S. 197-211.

Krondorfer, Björn (2008). Is Forgetting Reprehensible? Holocaust Remembrance and the Task of Oblivion. Journal of Religious Ethics 36(2), S. 233-267.

Hirsch, Marianne (2008). The Generation Postmemory. Poetics Today 29(1), S. 103-128.

Ricoeur, Paul (2000). Memory, History, Oblivion. Paris: Editions du Seuil.

Teski Marea und Jacob Climo (1995). The Labyrinth of Memory. Ethnographic Journeys. London: Bergin and Garvey.

Sozialwissenschaftliche Forschung zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Sexten

Aufgabe war es, ausgehend von der zentralen Forschungsfrage des Projekts „In die Landschaft eingeschrieben. Orte, Spuren, Erinnerungen. Der Erste Weltkrieg in den Sextener Dolomiten“, die heutigen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg der Sextner Nachfahren zu erheben und auszuwerten. 30 Personen – Sextnerinnen und Sextner, Expertinnen, Experten und Sammler – sind hierzu in semistrukturierten Interviews befragt worden. Wir konnten Einsicht nehmen in private Sammlungen und Dokumente, den Bestand privater Sammler besichtigen und mit vielen Menschen in Sexten und Umgebung sprechen. Eine öffentliche Informationsveranstaltung im Juni 2021, ein Fokusgruppengespräch mit ausgewählten jüngeren Nachfahren der Kriegsgeneration im November 2021 und ein Videofilm mit sechs Sextner Persönlichkeiten ergänzen die Erhebung und Auswertung der Ergebnisse ab.

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Methode

Die empirische Erhebung stützte sich auf semistrukturierte Interviews mit Nachfahren der Kriegsgeneration in Sexten sowie mit Experten und Sammlern. Im Vorfeld erfolgte eine breite Sichtung der Literatur zum Dolomitenkrieg. Für jedes Interview wurde ein Vorgespräch zur Vorbereitung geführt. Die Interviews basierten auf einem Leitfaden von 105 Einzelfragen zu den Phasen des Kriegsverlaufs, zur Nachkriegszeit und zu den bis heute bestehenden Erinnerungen. In Ergänzung dazu wurden Dokumente und Objekte aus privaten Beständen gesichtet und ausgewertet sowie fünf Sammlungen von Weltkriegsrelikten besucht. Auch Experten aus dem Comelico und aus Deutschland wurden befragt.
Bei einer öffentlichen Informationsveranstaltung wurde die lokale Bevölkerung informiert und einbezogen. Ein Fokusgruppengespräch widmete sich den Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg unter den jüngeren Nachfahren. Die meisten Interviews wurden aus dem Sextener Dialekt vollinhaltlich ins Standarddeutsche transkribiert. Eine zusammenfassende Wiedergabe der Inhalte aller 30 Einzelgespräche liegt vor. Eine Auswahl der empirischen Erhebung wurde vom Filmemacher Rudy Kaneider in einen Videofilm mit sechs ausgewählten Gesprächspartnern und -partnerinnen aus Sexten gefasst. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Forschungsteams ergänzte die Erhebung.

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Ergebnisse

Eine Reihe von Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern haben überlieferte Geschichten, Erinnerungen und eigenes Wissen zum Ersten Weltkrieg in Sexten beigetragen, so z.B. Rudolf Holzer, Sigrid Wisthaler, Hugo Reider, Pietro Michieli und Hermann Rogger. Weitere Nachfahren haben vom Schicksal der Großeltern erzählt, andere berichteten von zunehmend verblassenden Erinnerungen. In vielen Familien war der Erste Weltkrieg und die Erinnerung daran durch den italienischen Faschismus, die Option und den Zweiten Weltkrieg sehr schnell verdrängt worden. Die Erinnerungen sind allenfalls im Kreis der Veteranen gepflegt worden. Bei den heute über 90-jährigen Sextnerinnen und Sextnern sind die „Katakombenschule“, die Option, der Zweite Weltkrieg und die schwierige Nachkriegszeit ab 1945 viel lebendiger in Erinnerung als der Erste Weltkrieg. Oft bedauern sie, das Gespräch mit den Großeltern nicht aktiv gesucht zu haben, die ihrerseits dieses Thema eher ruhen lassen wollten.
Alles in Allem scheint die Zeit des Exils von 1915-1918 im Gedächtnis der Bevölkerung von Sexten aus folgenden Gründen nicht sehr präsent zu sein:

1. Es ist lange her (108 Jahre seit Beginn des Krieges im Jahr 1914).
2. Im Jahr 1915 wurden die Menschen von Sexten und ihre Kinder herzlich von ihren Landsleuten in ihrer unmittelbaren Heimat begrüßt und konnten unter ähnlichen sozialen Bedingungen wie gewohnt leben, wenn auch beengt und arm; es gab keine Flüchtlingslager.
3. Typisch für Frauen zu dieser Zeit und ihre gesellschaftliche Position war die begrenzte Möglichkeit, Erfahrungen schriftlich festzuhalten. Später dominierten die Geschichten der Soldaten über Krieg und Gefangenschaft, sofern Veteranen überhaupt bereit waren, das Thema anzusprechen.
4. In den Nachkriegsjahren ab 1920 gab es aufgrund äußerer Umstände (Faschismus, Verbot der Pflege von Traditionen):
• keine systematische Erfassung und Aufarbeitung der Erfahrungen des Ersten Weltkriegs. Die Zeitzeugen sind seit 20-25 Jahren verstorben. Es gibt kaum aufgezeichnete erzählte Geschichten von Zeitzeugen des Ersten Weltkriegs (schriftlich, auditiv, Video).
• Bald werden die Kinder der Kriegsgeneration sterben.
• Die Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg in Sexten sind nur bruchstückhaft in der Generation der Enkel und Urenkel vorhanden.
• Es gibt keine detaillierte Chronik von Zeitzeugen aus den Jahren 1914-1918 in Sexten.
• Es wurde wenig über Erfahrungen geschrieben, insbesondere von Frauen.
• Offenbar haben viele Familien in Sexten aufgrund neuer Herausforderungen Evakuierung und Exil schnell in den Hintergrund gedrängt.
• Innerhalb der Familie gibt es wahrscheinlich aufgrund des weit verbreiteten Mangels an Diskussionen eine selektive Wahrnehmung und Erinnerung an die Kriegserfahrungen an der Front.
• Um das lokale historische Bewusstsein zu pflegen, ist neben wissenschaftlicher Erhebung und Dokumentation auch die Produktion und Vermittlung durch moderne Medien erforderlich.

(TB)

Brüsemeister, Thomas (2008). Qualitative Research: An Overview, In Qualitative Forschung. Berlin: Spring Nature.

Heiss, Hans und Rudolf Holzer (2015). Sepp Innerkofler: Bergsteiger, Tourismuspionier, Held. Bolzano-Bozen: Folio Verlag GmbH.

Heistinger, Andrea (2006). Qualitative Interviews – A Guide to Preparation and Implementation Including Some Theoretical Notes. Report.

Holzer, Anton (2008). Das Lächeln der Henker Der unbekannte Krieg gegen die Zivilbevölkerung 1914 – 1918. Darmstadt: Primus Verlag GmbH.

Holzer, Rudolf (2002). Sexten: Vom Bergbauerndorf Zur Tourismusgemeinde. Sesto-Sexten: Lana, Tappeiner Verlag.

Kübler, Peter und Hugo Reider (1997). Kampf um die Drei Zinnen. Das Herzstück der Sextener Dolomiten 1915-1917 und heute. Bozen: Athesia.

Kübler, Peter und Hugo Reider (2017). Krieg um Sexten: Die westlichen karnischen Alpen und das Kreuzberggebiet im Ersten Weltkrieg 1915 – 1918 mit Tourenbeschreibungen für heute. Unterkirnach: Kübler, Peter Verlag-Medienservice.

Lamnek, Siegfried und Claudia Krell (2016). Qualitative Sozialforschung, 6. Aufl. Weinheim: Beltz.

Rogger, Hermann (Hrsg.) (2005a). Leben – Überleben – Weiterleben: Sexten/Sesto 1905 – 1915 – 1925. Bressanone-Brixen: Consisto GmbH.

Rosenthal, Gabriele und Arne Worm (2018). Geschichtswissenschaften/Oral History und Biographieforschung. In Helma Lutz, Martina Schiebel und Elisabeth Tuider (Hrsg.) (2018), Handbuch Biographieforschung. Wiesbaden: Springer Vs.

Walleczek-Fritz, Julia und Peter Kübler (2015). Historischer Wanderführer Sextner Dolomiten Freilichtmuseum Gebirgskrieg 1915-1917. Sexten: Bellum Aquilarum ONLUS.

Wisthaler, Sigrid (2016a). Anna Egarter. In Michael Forcher und Bernhard Mertelseder (Hrsg.), Gesichter der Geschichte: Schicksale aus Tirol 1914-1918. Innsbruck: Haymon Verlag.

Wisthaler, Sigrid (2016b). Karl Außerhofer – Das Kriegstagebuch eines Soldaten im Ersten Weltkrieg. Innsbruck: Universität Innsbruck.

Erster Weltkrieg: Ein Thema in den Familien der Nachfahren?

Die Erinnerungen an die Zeit des Ersten Weltkriegs in Sexten ist primär innerhalb der Familien in Form von Erzählungen der Eltern und Großeltern an die Familienmitglieder und an spätere Nachfahren weitergegeben worden. Nur in wenigen Fällen liegen diese auch in Form von Berichten, Erzählungen, Anekdoten und Tagebüchern schriftlich vor. In zahlreichen Fällen wird berichtet, dass die Kriegsgeneration in der Zwischenkriegszeit versuchte, die Erlebnisse des Ersten Weltkrieges zu verdrängen, die Kinder und Enkel vor den schmerzlichen Erinnerungen zu verschonen. Nicht zuletzt aus diesem Grund gibt es heute mitunter große Lücken in der Erinnerungskultur.
Zudem ist die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ab den 1930er-Jahren und während des Zweiten Weltkriegs durch die neuen traumatischen Erfahrungen, wie der Unterdrückung durch das faschistische Regime, der Option 1939 mit Konflikten innerhalb der Dorfgemeinschaft und der Familien selbst, der Besetzung durch NS-Deutschland mit neuen Einberufungen und dem Krieg stark überlagert worden. In der zweiten Nachkriegszeit (1950er- und 1960er-Jahre) berichteten die Großeltern kaum mehr über den Ersten Weltkrieg, vielmehr galt es nun die Erlebnisse des Zweiten Weltkrieges aufzuarbeiten. Doch ähnlich wie im restlichen Südtirol standen auch in Sexten meist wichtige neuen Herausforderungen im Vordergrund, nämlich der Wiederaufbau der Wirtschaft, der Kampf um die Autonomie und die Rückkehr der Optanten.
Die Gesprächspartner wurden gefragt, ob heute innerhalb der Familien noch über den Ersten Weltkrieg gesprochen wird und welche Erinnerungen bis heute tradiert sind.

Hermann Rogger: „Es ist nicht viel aus dieser Zeit aufgeschrieben worden … Das kann ich mir nicht vorstellen. Das Geschehen ist einfach zu weit weg. Da haben wir zu großen Abstand. Wenn erst die übernächste Generation der Zeitzeugen, also die Enkel, erzählen, dann kommt nicht mehr viel an. Oder gar die Urenkel, die wissen dann gar nichts mehr.“7Gespräch mit Thomas Benedikter, 7.7.2021, Sexten.

Albert Tschurtschenthaler: „Schriftlich wird (von den Kriegserinnerungen) nicht viel übrig sein. Die Eltern vom Sonna Jörg z.B., und die Großeltern (die Eltern waren damals noch Kinder) waren in Vierschach beim Klieber. Die Großmutter war schon damals etwas dement und ich habe sie immer ausgefragt. Die Erinnerungen an die Ereignisse sind geblieben, z.B. die Erinnerungen an die Zerstörung ihrer Häuser am Mitterberg, das war alles noch vorhanden. Das war präsent, sie hat immer wieder dasselbe genau erzählt, wie sie mit der Nonna [Großmutter] bis zur Waldkapelle gewandert ist und weiter, um zu schauen, wie Sexten ausschaut.“8Gespräch mit Thomas Benedikter, 17.6.2021, Sexten.

Rudolf Holzer: „Nein, die Sextnerinnen haben sehr wenig geschrieben. In Cortina gibt es mehrere Tagebücher, größtenteils von Frauen geschrieben. Paolo Giacomelli hat diese Zeugnisse zusammengetragen, er ist der Fachmann dafür in Cortina. Bei uns ist kaum etwas bekannt. Die meisten Frauen waren Bäuerinnen, die wenig geschrieben haben. Eher waren es die Menschen der Mittelschichten, die geschrieben haben. Die Frauen mussten die Familie versorgen und am Hof mithelfen.“9Gespräch mit Thomas Benedikter, 29.4.2021, Sexten.

Georg (Jörg) Lanzinger: „Die Geschichte meiner Großeltern, aber auch die Geschichte meiner Onkel ist in dieser Hinsicht bemerkenswert. Manchmal haben sie nur einige Sätze zu diesem Thema gesprochen. Doch manchmal, wenn Besuch gekommen ist, haben die Großeltern Erfahrungen mit den Besuchern ausgetauscht. Als Kinder versteht man den Zusammenhang nicht. Später haben die Onkel gefragt: Haben die Großeltern denn etwas von den Kriegsjahren erzählt? Tatsächlich hatten wir als Kinder nicht das Interesse, mehr über den Ersten Weltkrieg zu erfahren. Doch ich kann mich erinnern: In den 1960er-Jahren hat mein Großvater mit seinen Kollegen über die Kriegszeiten gesprochen.“10Gespräch mit Thomas Benedikter, 8.7.2021, Sexten.

Sigrid Wisthaler: „Meine Mutter hat mir erzählt, dass ihr Großvater über dieses Thema gar nicht reden wollte. Mit seinen guten Freunden, also unter Kriegskameraden, haben sie darüber gesprochen, aber nicht in der Familie. Ein Onkel von mir hat sich sehr für den Ersten Weltkrieg interessiert und hat sich sozusagen als Hobbyarchäologe eingelesen. So wusste er über den Ersten Weltkrieg in den Dolomiten sehr gut Bescheid. Mit ihm war ich viel in den Bergen unterwegs und er hat mir viel über die Spuren des Kriegs erklärt. Über diesen Onkel erhielt ich einen praktischen Zugang zu diesem Thema.“11Gespräch mit Thomas Benedikter, 26.8.2021, Sexten.
„Interessant ist, dass meine Mutter mir nie über das Schicksal ihres Großvaters im Ersten Weltkrieg erzählt hat. Erst im Zuge der Aufarbeitung der Tagebücher rückte diese Zeit in den Blick, denn erst nach dem Tod des Urgroßvaters sind seine Tagebücher aus der Kriegszeit zum Vorschein gekommen. Ich habe mich im Rahmen des Studiums stark mit Archivmaterial befasst und musste auch viele Texte in altdeutscher Schrift lesen. So konnte ich anhand der Tagebücher meines Urgroßvaters auch die altdeutsche Schrift üben.“12Gespräch mit Thomas Benedikter, 26.8.2021, Sexten.

Rudolf Holzer: „Im Krieg hat meine Familie keine Angehörigen verloren. Sexten hat in Relation zur Bevölkerung viele Soldaten verloren, nämlich 54. Das hängt mit der Standschützenkompanie Sexten zusammen, die viele Mitglieder hatte. Der Kommandant war Vinzenz Goller, der sich schon gleich im Mai 1915 zum Fronteinsatz gemeldet hatte. Er hat eine Sextnerin geheiratet. Alle Gefallenen scheinen in der Heldengedenkkapelle in Sexten auf, einschließlich der Vermissten. Auch in Gefangenschaft gerieten keine meiner Angehörigen.“13Gespräch mit Thomas Benedikter, 29.4.2021, Sexten.

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