Dreizinnenplateau Dreizinnenplateau

Das Dreiz Zinnen-Plateau (Drei Zinnen-Hochfläche) stellte sowohl auf österreichischer als auch auf italienischer Seite einen klar definierten Kampfabschnitt dar: Österreich hatte den Kampfabschnitt I Drei Zinnen eingerichtet, der dem Grenzunterabschnitt 10 b des Rayon 5 Pustertal eingegliedert wurde, und für Italien gehörte das Plateau zum Abschnitt (settore) Lavaredo-Oberbacher (später als 3. Unterabschnitt Cadore, ital. III sottosettore Cadore, bezeichnet), genauer zur Zone 1 (Lavaredo-Longere).1Pozzato und Volpato, Guerra sulle Tre Cime e Dolomiti di Sesto, S. 9–13.
Nach den ersten (und einzigen) bedeutenderen Frontbewegungen im Sommer 1915 verliefen die österreichischen Linien in diesem Abschnitt (von Westen nach Osten gesehen) vom Wildgrabenjoch über den Schwabenalpenkopf, die Kuppe West und Kuppe Ost, den Toblinger Knoten und das Innichriedl bis zur Altensteinspitze. Auf italienischer Seite hingegen sah der Verlauf folgendermaßen aus: Forcella Col di Mezzo (manchmal im Deutschen auch Zinnenkuppenpass genannt) – Drei Zinnen – Paternsattel (Forcella Lavaredo) – Passportenkopf – Sextenstein – Paternkofel – Gamsscharte (Forcella del Camoscio) – Pian di Cengia.2Kübler und Reider, Kampf um die Drei Zinnen, S. 17–19.
Die gesamte Zone war als Hochgebirgsgebiet ohne befahrbare Verkehrswege nicht für Aktionen großer Truppenteile geeignet, auch bot sie keine wirklichen Möglichkeiten für taktisch entsprechend relevante Durchbruchsoperationen. Sie grenzte allerdings sehr wohl an zwei wichtige Durchgangswege zu den bedeutenden Knotenpunkten des Pustertals sowie des Cadore und eignete sich daher für Österreich und Italien gleichermaßen als strategischer Punkt für Batterien, die zu den Tälern hin flankierend tätig werden konnten. Daher war die Zone vor allem im ersten Kriegsjahr Schauplatz heftiger lokaler Gefechte.3Monografie del I Corpo d’Armata – Genio – Sistemazione difensiva, AUSSME_B1_110D_23.
In einer Monografie des 1. italienischen Armeekorps aus dem Jahr 1917 sind einige geografische Beschreibungen der italienischen Zinnenfront zu finden
„In Bezug auf die Geländebeschaffenheit stellen die riesigen und schwer zugänglichen Felsmassive, die Drei Zinnen, der Passportenkopf und der Paternkofel, welche die Wasserscheide zwischen der Schwarzen Rienz und dem Talschluss des Rio Marzon (Wildbach) bilden, die wichtigste Besonderheit dieses Gebietes dar. Das von der Westlichen Zinne zur Forcella Col di Mezzo abfallende Gelände ist relativ unwegsam und schwierig … Die Westliche Zinne bildet zusammen mit der Großen und der Kleinen Zinne eine riesige Felsformation mit steilen Wänden, die wie eine Trennwand zwischen zwei Plateaus fungiert: dem Nordplateau (Lange Alpe – Satteleberg) auf der einen und dem Südplateau (Pianoro di Lavaredo) auf der anderen Seite. Diese beiden Plateaus sind durch die Pässe Forcella Col di Mezzo und Paternsattel (Forcella Lavaredo) miteinander verbunden und fallen im Norden jäh zur Schwarzen Rienz und im Süden ebenfalls jäh zum Rio Marzon ab. Auch sehr steil ist die Ostwand der Kleinen Zinne in Richtung Paternsattel. Östlich vom Paternsattel folgt der Passportenkopf, von dessen Gipfel aus zwei Gebirgskämme verlaufen: der eine Richtung Norden bis zum Toblinger Knoten mit dem Pass bei der Dreizinnenhütte, der den Talschluss der Schwarzen Rienz mit dem des Bodenbachs verbindet, der andere entlang einer Reihe von schroffen Felstürmen bei der Gamsscharte (Forcella del Camoscio) bis zur östlichen Scharte, die wiederum die Verbindung zum Paternkofel in 2665 m Höhe darstellt.“
Die Monografie enthält auch eine kurze geografische Beschreibung der österreichischen Front:
„Die feindliche Linie, die generell bergauf verläuft und deren höchster Punkt der Toblinger Knoten ist, liegt am südlichen Rand des unwegsamen Felsplateaus, das vom Massiv der Dreischusterspitze und dem Altenstein talwärts führt und mit seinen steilen Felswänden hoch über den Tälern des Bodenbachs und der Schwarzen Rienz emporragt. Die Linie wird an ihren Flügeln von den natürlichen Barrieren des Fischleintals und des Wildgrabenjochs abgeschlossen, deren Außenseite an das Elfermassiv und den Schwalbenkopf grenzt.“
Außerdem sind in der Monografie Ausführungen über Vegetation und Klima zu finden:
„Der untere Teil der hier betrachteten Region ist von einem Nadelwald aus Fichten, Tannen und Lärchen bedeckt, die letzteren beiden jedoch nur vereinzelt. In den höheren Lagen, vor allem in den bereits besprochenen Talschlüssen, dominieren hingegen Latschenkiefer und Rhododendron, selten sind auch einige Lärchen anzutreffen. In den Zonen unmittelbar darüber stößt man (in geringem Ausmaß) auf krautige Vegetation, während noch weiter oben absolut nichts mehr wächst … Das Klima ist ein typisches Hochalpenklima: Schnee von Oktober bis April, am meisten Schneefall im Jänner. Auf den höchsten Gipfeln bleibt der Schnee bis Ende Mai liegen. Starke Regenfälle von Mai bis Oktober; häufig Nebel, besonders im Herbst. Im Winter sinkt die Mindesttemperatur nachts oft auf −30°, tagsüber steigt sie auf 0°.“4Monografie del I Corpo d’Armata – Genio – Sistemazione difensiva, AUSSME_B1_110D_23.

(GF)

Kübler, Peter und Hugo Reider (1997). Kampf um die Drei Zinnen. Das Herzstück der Sextener Dolomiten 1915-1917 und heute. Bozen: Athesia.

Pozzato, Paolo, und Paolo Volpato (2015). Guerra sulle Tre Cime e Dolomiti di Sesto. Lavis: Litotipografia Alcione.

Monografie del I Corpo d’Armata – Genio – Sistemazione difensiva, AUSSME_B1_110D_23A, Archivio dell’Ufficio storico dello Stato Maggiore dell’Esercito, Roma.

Dreizinnenhütte

Der Bau einer Hütte am Toblinger Riedl wurde 1881 von der Sektion Hochpustertal des Deutschen und Österreichischen Alpenvereines (DuÖAV) beschlossen. Als Errichtungsort wurde der Pass gegenüber den Drei Zinnen oberhalb der Bödenseen ausgewählt: eine perfekte Lage, um Touristen und Kletterern einen Stützpunkt im Hochgebirge zu bieten. Der Zentralausschuss des ÖAV gewährte eine Subvention von 600 Gulden, der Baugrund wurde von der Gemeinde Sexten unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die feierliche Eröffnung fand am 25. Juli 1883 statt. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde das Gebäude mehrmals erweitert und aufgestockt, um mehr Gäste beherbergen zu können. Ab 1898 war Sepp Innerkofler Hüttenwirt.5Kübler und Reider, Kampf um die Drei Zinnen, S. 89–95; Heiss und Holzer, Sepp Innerkofler.
Mit dem Kriegseintritt Italiens am 23. Mai 1915 war das Schicksal des Gebäudes besiegelt. Der Beschuss und der Brand der Hütte am 25. Mai 1915 wurden gemeinhin als Vergeltungsmaßnahme der Italiener für die Zerstörung der Kaserne unterhalb des Paternsattels interpretiert, die am selben Tag unter dem Feuer der von Hauptmann Jaschke angeführten Artillerie erfolgt war.6Kübler und Reider, Kampf um die Drei Zinnen, S. 21. Tatsächlich schrieb jedoch der italienische Kommandant des Kampfunterabschnitts, Generalmajor Fabbri, in einer Depesche vom 24. Mai 1915 Folgendes an Major Buffa di Perrero, Kommandant des Cadore-Bataillons:
Die Batterie auf dem Piano di Lavaredo könnte wohl aus einer geeigneten Stellung das Feuer in Richtung Drei-Zinnenhütte eröffnen, dabei versuchen, diese unbewohnbar zu machen, und die Verstärkungsarbeiten, die der Feind um diese wichtigen Stellungen vornimmt, zunichtemachen. Der erbärmliche Trick der gehissten Rotkreuzflagge auf der österreichischen Hütte soll uns nicht davon abhalten, diese zu zerstören.“7Diario Brigata Marche, AUSSME_B1_133S_583C, 24 maggio 1915.
Der Schussbefehl war demnach bereits am 24. Mai erteilt worden und lässt angesichts der Tatsache, dass man dem Rotkreuzsymbol kaum Beachtung schenkte, die unmittelbare Grausamkeit des Krieges erkennen. Die Zerstörung der Hütte kam der Auslöschung eines für die lokale Bevölkerung legendären Ortes gleich – sie wird auch im Tagebuch Sepp Innerkoflers beschrieben, der den Beschuß vom Gipfel des Paternkofels aus beobachten konnte.
Einige Jahre nach Kriegsende begann die neugegründete Sektion Hochpustertal des Südtiroler Alpenvereins mit dem Wiederaufbau der Drei-Zinnenhütte. Wenige Wochen später entzogen die italienischen Behörden dem Hüttenwirt jedoch die Konzession, lösten 1923 die örtlichen Alpenvereine auf, enteigneten die Hütten und wiesen sie dem italienischen Alpenverein (CAI) zu. Der Club Alpino Italiano von Bozen und Padua setzte die Arbeiten fort. Die Wiedereröffnung der Hütte erfolgte 1937 und sie wurde in Gedenken an den im Abessinienkrieg gefallenen italienischen Major der Luftwaffe Locatelli „Rifugio Antonio Locatelli alle Tre Cime di Lavaredo“ benannt. Antonio Locatelli (1895-1936) ist in Bergamo geboren, war im Ersten Weltkrieg als Flieger unter anderem mit Gabrielle D’Annunzio über Wien im Einsatz. Bereits ab 1920 Mitglied der faschistischen Bewegung war er von 1924-1928 auch Parlamentsabgeordneter. Nach Expeditionsflügen in den Anden und nach Grönland meldete er sich 1936 als Freiwilliger für den ostafrikanischen Krieg und flog mit Begeisterung Bombeneinsätze gegen die Zivilbevölkerung. Nach Locatellis Tod 1938 in einem Hinterhalt in Lechemti in Äthiopien begann ein Heldenkult, der bis heute kaum kritisch hinterfragt wird. Bereits 1936 hatte der Präsident des CAI festgelegt, dass die ehemals nach Sepp Innerkofler benannte Drei Zinnen-Hütte nach Antonio Locatelli benannt wird. Eines der Beispiele italienisch-faschistisch-ideologischen Besetzung des Dolomitenkrieges und damit der Nationalisiserung der alpinen Landschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Hütte in den Besitz des CAI (Club Alpino Italiano) Padua über, der sie wiederaufbauen ließ, die Benennung beibehielt und den Betrieb ab 1949 der Familie Reider aus Sexten zur Führung übertrug, die sie noch heute bewirtschaftet. Im Jahr 2008 wurde das Gebäude in einer feierlichen Zeremonie auch nach Sepp Innerkofler benannt; der Name des bekannten Hüttenwirtes und Bergsteigers, der am Paternkofel gefallen war, wurde dem Antonio Locatelli hinzugefügt.8Kübler und Reider, Kampf um die Drei Zinnen, S. 96–99. Im Eingangsbereich der Hütte befindet sich ein altarartiges Arrangement mit einer Schwarzen Madonna, einer Fotografie Antonio Locatellis und einer reliefierten Bronzetafel mit den Drei Zinnen und darüber dem Flugzeug Locatellis.

(GF, WKE)

Kübler, Peter und Hugo Reider (1997). Kampf um die Drei Zinnen. Das Herzstück der Sextener Dolomiten 1915-1917 und heute. Bozen: Athesia.

Polli, Vittorio (1986). Antonio Locatelli Vita e documenti. Bergamo: Bolis.

Diario Brigata Marche, AUSSME_B1_133S_583C, Archivio dell’Ufficio Storico dello Stato maggiore, Roma.